Wespenarten und deren Lebenszyklus
Die Vielfalt der Natur spiegelt sich auch bei unseren heimischen Wespenarten wieder. Es gibt nämlich mehr als “die eine nervige Wespe”, die zu den staatenbildenden Wespen gehört! Neben diesen Wespenarten, auf die wir uns hier konzentrieren möchten, existieren noch hunderte andere Wespenarten, die im Unterschied aber größtenteils einzeln, also solitär leben und daher kaum auffallen, wenn man nicht gezielt nach ihnen sucht.
Aber auch die staatenbildenen Wespenarten sind nicht alle gleich. Sie unterscheiden sich in Aussehen, Lebenszyklus, Verhalten, Nistweise, Häufigkeit, Schutzstatus uvm. erheblich und wir wollen diese nicht alle über einen Kamm scheren, sondern einmal genauer hinsehen.
Sicher allen bekannt sind die Hornissen, die leicht anhand der Größe und Fluggeräusche von den anderen zu unterscheiden sind. Eine Differenzierung der anderen Wespenarten ist schwieriger. Sie ist allerdings in der Praxis sehr wichtig, da die schon angesprochenen Eigenheiten der Arten (vor allem Lebenszyklus und Verhalten) so stark voneinander abweichen, dass wir bei der Beratung je nach Art unterschiedlich damit umgehen müssen, um Ihnen und den Wespen damit weiterzuhelfen.
Wenn Sie ein Nest in Ihrer Umgebung finden, dann helfen wir Ihnen sehr gerne mit Beratung und falls notwendig und möglich auch mit weitergehenden Maßnahmen. Um die Situation bei der Beratung bereits am Telefon möglichst gut einschätzen zu können, bitten wir Sie vorab schon auf die nachfolgenden Punkte zu achten und soweit gefahrlos möglich, auch Bilder vom Neststandort (direkte Umgebung), dem Nest selbst (falls sichtbar) und evtl. einzelnen Tieren zu machen:
- Wo genau befindet sich das Nest?
- Ist das Nest sichtbar oder in einem Hohlraum und Sie sehen nur die Wespen ein- und ausfliegen?
- Falls das Nest zu sehen ist, welche Größe, Form und Farbe hat das Nest?
- Wie viele Wespen fliegen pro 10 Sekunden ein und aus? Nur grob, 1-5, 5-15 oder mehr als 15?
Im Folgenden möchten wir Ihnen einen kleinen Einblick in wichtige Differenzierungsmerkmale der verschiedenen staatenbildenden Wespenarten geben.
Lebenszyklus
Sehen wir uns zunächst allgemein den Verlauf eines Wespenjahres an. Alle staatenbildenen Wespen folgen einem immer währenden Zyklus, der die Erhaltung der Art dient. Beginnen wir im Frühjahr, wo Wespenköniginnen aus ihrer Winterruhe erwachen. Diese Winterruhe verbringt jede Königin als Einzeltier an einer hoffentlich gut vor Fressfeinden geschützten Stelle. An ersten sonnig warmen Tagen fliegt die Königin auf der Suche nach Nahrung (kohlehydrat-haltige Baumsäfte) und einem geeigneten Platz für ein Nest umher und erkundet die Umgebung. Ist ein passender Ort gefunden, so beginnt die Wespenkönigin ganz allein dort ein Nest zu bauen. Sie fliegt hunderte, ja tausende Male los, raspelt winzige Holzfasern von altem verwittertem oder morschem Holz ab, zerkaut diese und beginnt mit dieser Art Pappmaschee nach und nach über Wochen den Aufbau eines Nestes. In dieser als solitäre Phase bezeichneten Zeit versorgt die Königin sich selbst mit Futter, legt Eier, wärmt und nährt die ersten heranwachsenden Wespenlarven, baut weiter am Nest und verteidigt dieses gegen Angreifer – wahrlich eine Herkulesaufgabe für ein einzelnes Tier!
Kann die Königin all ihre Aufgaben bewältigen, dann schlüpfen einige Wochen später nach und nach die ersten Wespenarbeiterinnen. Damit beginnt nun die sogenannte kooperative Phase für diesen noch jungen Wespenstaat. Die Arbeiterinnen unterstützen ab diesem Zeitpunkt ihre Königin bei allen Arbeiten: Beschaffung von Futter und Holzfasern, Nesterweiterung, Versorgung der Brut usw. Nur das Legen weiterer Eier bleibt einzig die Aufgabe der Königin.
Wespenvolk und Nest wachsen von Tag zu Tag in kleinen Schritten mit jeder weiteren geschlüpften Arbeiterin. Wenn etwa 15 Arbeiterinnen im Nest aktiv sind, spricht man von der soziale Phase. Die Entwicklung nimmt mehr und mehr Fahrt auf, da immer mehr Helferinnen dazu beitragen. Meist werden Wespennester erst in dieser Phase von Anwohnern bemerkt, obwohl das Nest bis hierher schon einigen Wochen aktiv ist. Die Wespenkönigin fliegt nicht mehr aus und die Stärke der Wespenvölker steigt immer mehr und kann eine Individuenzahl von hunderten bis mehreren tausend Tieren erreichen.
Die Entwicklung des Wespenvolkes gipfelt schlussendlich in der Phase der Reproduktion. Aus den Eiern der Königin schlüpfen nun die Geschlechtstiere – Männchen und fruchtbare Weibchen, die sich dann paaren und damit den Grundstein für die Erhaltung dieser Wespenart legen. Das Wespenvolk ist an seinem Höhepunkt angelangt und baut nun langsam wieder ab.
Man spricht dann von der Absterbephase, wenn das Volk nicht mehr wächst, sondern wieder kleiner wird, da die Königin keine Eier mehr legt, kaum oder bald keine neuen Wespen mehr schlüpfen und stetig Tiere das Nest verlassen und nicht mehr zurückkehren. Nach und nach verlassen alle “das sinkende Schiff”: Arbeiterinnen, Männchen und die alte Königin sterben ab und werden Teil des natürlichen Kreislaufes von “Werden und Vergehen”.
Einzig für die befruchteten Weibchen – auch Jungköniginnen genannt – steht nun die nächste Phase der Überwinterung an. Jede sucht sich einzeln ein Schlupfloch, z.B. in einem Holzstapel, einer Mauerfuge oder einem Spalt in der Baumrinde, um dort den langen Winter zu überdauern.
So schließt sich am Ende der Kreis im Jahresverlauf, bis dann im nächsten Jahr die Königinnen aus dem Winterschlaf erwachen.
Besonderheiten der verschiedenen Wespenarten
Hornissen
Die eingangs angesprochenen Hornissen sind nicht nur aufgrund Ihrer Größe etwas Besonderes. Sie sind wohl die fleißigsten Insektenjäger und werden daher auch gerne als die Falken unter den Insekten bezeichnet. Die Arbeiterinnen eines gut ausgebildeten Volks fangen pro Tag bis zu 500 g Insekten in der Umgebung und füttern damit die eigenen Larven. Sie regulieren damit das Aufkommen anderer Insekten in der Umgebung des Nestes ganz erheblich.
Hornissen sind zwar groß, aber überaus friedfertige Tiere, so man sich entsprechend ruhig verhält. Sie genießen im Unterschied zu allen anderen Wespenarten den besonderen Schutzstatus des Bundesnaturschutzgesetzes (siehe auch Rechtliches). Ihre Nester und die Tiere dürfen nicht gestört oder gar zerstört und getötet werden. Die Zuwiderhandlung wird mit einer hohen Geldstrafe geahndet!
Lebenszyklus: Mai bis Oktober/NovemberNestgröße: Handball bis MedizinballVolksgröße: ca. 100 bis 700 Tiere
Kurzkopfwespen
Im Fachjargon unterscheiden wir zwischen sogenannten Langkopf- und Kurzkopfwespen, deren Verhalten und Lebenszyklus sich grundlegend unterscheiden.
Alle drei Kurzkopfwespenarten – Deutsche Wespe, Gewöhnliche Wespe und Rote Wespe – bauen ihre Nester an dunklen oft schlecht zugänglichen Stellen. Sie werden daher als Dunkelhöhlenbrütern bezeichnet und oftmals erst so spät von Anwohnern entdeckt, wenn das Wespenvolk schon eine ziemliche Größe entwickelt hat.
Das uns allen bekannte Verhalten des Besuchs von Wespen am Esstisch im Sommer ist alleine den Tieren der Deutschen Wespe und der Gewöhnlichen Wespe zuzuschreiben. Keine andere Wespenart kommt uns Menschen auf der Suche nach Nahrung nahe! Nichtsdestotrotz sind auch diese Tiere als Bestäuber, Insektenjäger und Aasfresser sehr wichtig für die Natur und sollten nicht verteufelt werden.
Deutsche und Gewöhnliche Wespe:Lebenszyklus: April bis Oktober/NovemberNestgröße: Fußball bis MedizinballVolksgröße: ca. 1.000 bis 10.000
Rote Wespe:Lebenszyklus: April bis SeptemberNestgröße: HandballVolksgröße: ca. 150 bis 300
Langkopfwespen
Die Langkopfwespenarten – Mittlere Wespe, Sächsische Wespe, Waldwespe und Norwegische Wespe – unterscheiden sich grundlegend zu den zuvor genannten, da sie niemals zum Esstisch kommen, einen kurzen Lebenszyklus haben und ihre Nester im Gegensatz zu den Dunkelhöhlenbrütern an eher zugänglichen Stellen anlegen. Leider wird ihnen die Wahl des eher offenen Nestortes deutlich öfter zum Verhängnis und Nester werden entfernt, obwohl ihr eher zurückhaltendes Verhalten uns Menschen gegenüber deutlich weniger Konflikte mit sich bringt.
Lebenszyklus: April bis Juli (Waldwespe), August (Sächsische Wespe) bzw. September (Mittlere und Norwegische Wespe)Nestgröße: ca. HandballVolksgröße: ca. 100 bis 350 Tiere
Wie die anderen Wespenarten jagen auch Langkopfwespen andere Insekten und regulieren damit das Aufkommen dieser in der Umgebung.
Nach eingehender Beratung und Begutachtung vor Ort können Nester der Langkopfwespen oftmals an Ort und Stelle verbleiben.
Feldwespen
Neben den bereits beschriebenen Unterschieden der Wespenarten, fallen die Feldwespen nochmal ganz aus dem Rahmen. Wespenvolk und Nest sind deutlich kleiner als bei allen zuvor angesprochenen Arten und den Nestern fehlt die schützende Hülle. Die Waben sind offen und frei erkennbar. Mit kaum mehr als 30 Tieren ist ein Nest voll ausgewachsen und dann nur etwa so groß wie der Durchmesser eines Tennisballs. Stiche von Feldwespen sind selten und verursachen kaum Schwellung oder Jucken, sondern nur ein zeitlich recht begrenztes Brennen an der Stichstelle.
Nester von Feldwespen können zumeist unbedenklich an allen Stellen toleriert werden, da es kaum zu Konflikten oder Gefahrensituationen kommen kann.
Lebenszyklus: April bis SeptemberNestgröße: ca. TennisballVolksgröße: ca. 10 bis 30 Tiere
Wenn Sie uns also bezüglich eines Wespenvorkommens in Ihrer Nähe kontaktieren, können Ihre Beobachtungen zu diesen Merkmalen dazu beitragen, dass wir bereits beim ersten Telefonat eine erste Einschätzung über die Art der Wespen und damit über die Möglichkeiten einer friedlichen Koexistenz mit den Tieren vornehmen können. Wir freuen uns über jede Ihrer Beobachtungen.